Plattform zu Beton und Stahl im Bauwesen
Beton und Stahl in rechtlicher Sicht
Joost Haest, Rechtsanwalt bei Severijn Hulshof advocaten.

Beton & Stahl in rechtlicher Perspektive

In meiner juristischen Kolumne für die Zeitschrift Beton & Stahlbau versuche ich immer, so viel wie möglich mit relevanten Fällen aus der Praxis zu verbinden. Diesmal bespreche ich ein sehr aktuelles Urteil des Rates für Schiedsgerichtsbarkeit in Baustreitigkeiten vom 24. Mai 2024 (Nr. 37.677) zu "Pop-Outs" in gelieferten Betonfertigteilwänden. 

Pop-outs sind kleine Betonfragmente, die sich von der Betonoberfläche lösen. Diese Schäden werden durch Verunreinigungen im Beton verursacht, die mit der Zeit durch chemische Reaktionen oder Wasseraufnahme aufquellen. Im vorliegenden Fall ging es um Ausbrüche in Betonfertigteilwänden in 57 neu gebauten Mietshäusern. Es handelte sich um einige Dutzend bis mehrere Tausend Ausbrüche pro Haus, deren Abmessungen überwiegend zwischen 1 und 9 mm lagen.

Ursache des Schadens

Über die Ursache der Schäden gab es lange Zeit unterschiedliche Meinungen. Der Bauherr behauptete zunächst, die Ausbrüche seien durch das Vorhandensein von Urholz im Beton verursacht worden. Ein späteres Gutachten, das im Auftrag des Auftraggebers erstellt wurde, kam zu dem Schluss, dass die Ausbrüche durch den Schadensmechanismus Alkali-Karbonat-Reaktion (AKR) verursacht wurden. Dabei handelt es sich um eine chemische Reaktion im Beton, bei der Silikate aus den Zuschlagstoffen mit alkalischen Substanzen im Beton reagieren und ein Alkali-Kieselsäure-Gel bilden. Dies führt zur Wasseraufnahme, wodurch der Beton aufquillt, Risse im Beton entstehen und Betonpartikel freigesetzt werden.

Weitere Untersuchungen des Lieferanten ergaben, dass die Ausbrüche nicht auf ACR zurückzuführen waren, sondern auf reaktive Partikel (Kalziumoxid oder Branntkalk) in der Pulverfraktion, die höchstwahrscheinlich von der vorhandenen Flugasche (Kohlenstaub) stammen. Die Schlichter folgen der Schlussfolgerung des Lieferanten, stellen aber sofort fest, dass die zugrunde liegende Ursache eigentlich irrelevant ist. Die Folgen gehen ohnehin zu Lasten und auf das Risiko des Lieferanten. Dieses Urteil besteht aus einer Reihe von Schritten. 

Haftung des Lieferanten

Nach Ziffer 6 der für den Vertrag über die Herstellung und Lieferung von Betonfertigteilen geltenden Bedingungen war der Lieferant verpflichtet, die Betonwände in "glattem und ebenem, grauem, bewehrtem Rüttelbeton" auszuführen. Aufgrund einer abgegebenen Garantieerklärung ist der Lieferant für die Dauer von 10 Jahren nach Ablauf der Wartungszeit verpflichtet, alle auftretenden Mängel und Folgeschäden auf eigene Kosten und Gefahr auf erstes Anfordern zu beheben, es sei denn, der Lieferant weist nach, dass diese Mängel nicht auf seine Gefahr zurückzuführen sind. Die Garantien umfassen, dass die gelieferten Wände den im Vertrag festgelegten Anforderungen entsprechen und für den vorgesehenen Zweck geeignet sind. Ferner wird festgelegt, dass alle vom Lieferanten auszuführenden Arbeiten den Bedingungen des Woningborg Garantie- und Gewährleistungssystems 2010 entsprechen müssen. Demnach müssen die Betonwände den Anforderungen an eine gute und solide Arbeit entsprechen. Diese Bestimmungen sind der springende Punkt für die Schlichter.

In Anbetracht der Art und Größe der Ausbrüche entsprechen die Wände nach Ansicht der Schiedsrichter nicht den Anforderungen des Vertrags und den Anforderungen an gute und solide Arbeit und sind nicht zweckmäßig. Damit ist die Haftung des Lieferanten vor den Schiedsrichtern festgestellt. Der Auftragnehmer argumentierte, dass das Auftreten von Ausbrüchen aufgrund von Naturprodukten, die in den Betonelementen vorkommen können, nicht vermieden werden konnte. Das Schiedsgericht ist der Ansicht, dass dies die Haftung für solche Ausbrüche nicht abwenden kann. Es liegen auch keine äußeren Ursachen vor. 

Anders als der Lieferant argumentiert, war es auch nicht Aufgabe des Auftraggebers, Qualitätsanforderungen oder besondere Garantien für die Vermeidung von Ausbrüchen zu geben. Dies ist nur bei Sichtbeton der Fall, bei dem das Auftreten von Ausbrüchen auf ein Minimum beschränkt werden muss. Dabei weisen die Schiedsrichter darauf hin, dass das Vorhandensein einiger weniger Ausbrüche nicht zu einer Haftung geführt hätte, die große Zahl der Ausbrüche jedoch eine Haftung begründet.

Einziehungsmethode

Ursprünglich glaubte der Kunde, dass die Ausbrüche durch Aufbohren und Spachteln repariert werden könnten, was 242.000 € kosten würde. Später, als die Zahl der Ausbrüche so groß war, argumentierte der Kunde, dass eine solche Reparaturmethode nicht (mehr) realistisch sei. Die Schlichter folgten dieser Argumentation. Der Kunde verlangte daraufhin eine Reparatur durch das Anbringen von Gipswänden, und bei 57 Wohnungen stieg der Schaden schnell auf 672 000 € an. 

Der Lieferant argumentierte, dass die Wände von den Mietern mit dicken/robusten Tapeten verkleidet werden könnten und die Ausbrüche dann nicht sichtbar wären. Die Schlichter folgen diesem Argument nicht. Angesichts des Schadensmechanismus, bei dem Betonstücke an der Oberfläche der Wände gewaltsam weggedrückt werden, ist es hinreichend plausibel, dass mit dem Anbringen einer stabilen Tapete keine solide und bauliche Lösung gefunden werden kann. Die Pop-outs werden sich darin zeigen. Zudem würde dies die Mieter der Wohnungen in der Wahl der Wandgestaltung einschränken, was ihnen nicht zugemutet werden kann. Die Schlichter halten es für hinreichend plausibel, dass die Anbringung von Gipskartonplatten an den Betonwänden eine solide und bautechnisch einwandfreie Lösung darstellt, wobei es den Mietern überlassen bleibt, ob sie die Wände mit Soßenarbeiten, Tapeten oder Stuck verputzen.

Die Tatsache, dass der Lieferant seine Haftung nicht vertraglich auf den Auftragswert beschränkt hat und der Schaden den Auftragswert erheblich übersteigt, reicht nicht aus, um die Schadensersatzpflicht des Lieferanten zu begrenzen. 

Zugewiesener Betrag

Auf der Grundlage der obigen Ausführungen wurde der Forderung des Auftraggebers stattgegeben, wenn auch nicht der gesamten Forderung. Teil der Forderung des Auftraggebers war ein Schadensbetrag von 205.000 € im Zusammenhang mit angeblichen Zwischenreparaturen an den anzubringenden Gipsplatten. Der Auftraggeber argumentierte, dass die Oberfläche der Gipskartonplatten während der verbleibenden Lebensdauer der Wohnungen mehrmals von den Mietern ausgetauscht werden würde, wobei die oberste Schicht der Gipskartonplatten jedes Mal (vor Ort) ausgebessert werden müsste. Das Schiedsgericht entschied, dass es nicht erwiesen sei, dass die Wohnungsbaugesellschaft ihren Mietern gegenüber für Schäden an den Gipsplatten haftet, wenn die Mieter selbst die Oberfläche der Gipsplatten in der Zukunft ersetzen. Dieser Teil der Klage des Kunden wurde daher abgewiesen. 

Von der Forderung in Höhe von 672.000 € wird somit ein Betrag von 466.000 € zuzüglich Zinsen, Prozess- und außergerichtlicher Kosten zugesprochen. Dies ergibt einen Betrag von mehr als einer halben Million. Eine sehr teure und kluge Lektion für den Lieferanten. 

Joost Haest,

Rechtsanwalt bei Severijn Hulshof advocaten    

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