Das Bestreben der belgischen Zementindustrie, die Umweltauswirkungen von Zement zu verringern, ist nicht neu, aber es gewinnt an Dynamik. Die Herausforderung besteht darin, dies unter Beibehaltung der technischen Leistungsfähigkeit von Zement und Beton zu erreichen. Eine der Möglichkeiten, das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, besteht darin, den Klinkeranteil im Zement zu reduzieren.
Klinker ist der Grundbestandteil von Zement und wird durch Erhitzen von hauptsächlich Kalkstein in einem Zementofen auf 1.450°C gewonnen. Neben den CO2-Emissionen aus den Brennstoffen wird CO2 auch bei der chemischen Zersetzung von Kalkstein zu Kalziumoxid bei etwa 850°C freigesetzt. Diese chemische Reaktion verursacht den größten Teil der gesamten CO2-Emissionen. Der Rest der CO2-Emissionen stammt aus der Erhitzung der Materialien, die den Ofen durchlaufen.
Nach dem Prozess im Brennofen werden dem Klinker häufig Ersatzstoffe zugesetzt, bevor er zu dem feinen Pulver gemahlen wird, das wir als Zement kennen. Die Hersteller reduzieren den Klinkeranteil im Zement und verringern damit unmittelbar die CO2-Emissionen. Um diesen Weg zu beschreiten, sind neue Zemente, d. h. neue Rezepturen oder Zusammensetzungen, unumgänglich. Die Ersatzstoffe für Klinker wie Flugasche, Hüttensand oder Kalksteinfüllstoffe werden mit dem Klinker gemischt und gemahlen, ohne im Ofen erhitzt zu werden und damit ohne CO2-Emissionen. Die Schließung von Kohlekraftwerken und die schrittweise Stilllegung von Stahlhochöfen führen jedoch zu einer Verknappung von Flugasche und einer abnehmenden Verfügbarkeit von Hochofenschlacke, so dass die Zementindustrie gezwungen ist, alternative Sekundärrohstoffe einzusetzen.
Der heute in Belgien am häufigsten verwendete Zement ist der "kohlenstoffarme" Hochofenzement CEM III/A mit einem Klinkergehalt zwischen 35 und 64%, der durch Hüttensand ergänzt wird. Nur die belgischen Zemente CEM III und CEM V haben einen geringeren Klinkeranteil als 65%. Zur Information: Der durchschnittliche Klinkeranteil in belgischem Zement betrug im Jahr 2020 63,8%, während der europäische Durchschnitt bei 77% liegt.
Im Jahr 2021 wurde ein neuer Teil der Zementnorm veröffentlicht, Teil 5: NBN EN 197-5, der die neuen Zementsorten CEM II/C-M und CEM VI beschreibt. Die Zementsorten CEM II/C-M haben einen Klinkergehalt von 50 bis 64%. Der Typ CEM VI wird als kohlenstoffarm" bezeichnet und enthält noch weniger Klinker, nämlich zwischen 35 und 49%. Und seit Mitte 2023 gibt es sogar einen sechsten Teil, NBN EN 197-6, der sich mit Zement mit feinen Partikeln aus dem Recycling beschäftigt. Diese beiden letztgenannten Normen sind allerdings nicht harmonisiert, so dass für diese Zementsorten keine CE-Kennzeichnung möglich sein wird, wohl aber das freiwillige BENOR-Zeichen.
Die in den Normen genannten Zemente sind für den allgemeinen Gebrauch geeignet. Dies bedeutet unter anderem, dass sie die Dauerhaftigkeit von Beton nicht beeinträchtigen. Darüber hinaus muss aber auch eine spezifische Gebrauchstauglichkeit für bestimmte Anwendungen nachgewiesen werden (in der Regel in Abhängigkeit von den Umweltklassen nach den Betonnormen, die die Beeinträchtigung durch Karbonatisierung, Frost, Regen, See- oder Streusalz sowie chemischen Angriff berücksichtigen). Seit 2020 läuft das groß angelegte, pränormative Forschungsprojekt NEOCEM, das von der Zementindustrie vorangetrieben wird, in Zusammenarbeit mit den drei Forschungszentren OCCN, BUILDWISE und OCW. Ziel des Forschungsprojekts ist es, die spezifische Eignung der 4 wichtigsten Zementsorten mit neuen Materialien nachzuweisen: CEM II/B-M, CEM II/C-M, CEM V und CEM VI, bei denen die Sekundärstoffe Hüttensand und/oder Kalksteinfüllstoffe und/oder ein neues Material wie kalzinierter Ton sind. Bei diesen Zementsorten wird jeweils ein bestimmter Prozentsatz an Schlacke, der von Typ zu Typ variiert, durch Kalksteinfüller oder kalzinierten Ton ersetzt. Das Projekt ist bereits so weit fortgeschritten, dass einige der neuen Zemente in die neue Fassung der belgischen Betonnorm NBN B 15-001 aufgenommen wurden, die demnächst veröffentlicht wird. Das nächste Projekt NEOCEM II wird Zemente mit rezyklierten Feinpartikeln gemäß NBN EN 197-6 untersuchen. Diese Studien werden es ermöglichen, die neuen Zemente schneller auf den Markt zu bringen und so den Herausforderungen von morgen zu begegnen.