Viele der Bauwerke in unserem Land wurden in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts errichtet. Seitdem hat der Verkehr exponentiell zugenommen, während die Instandhaltung der Bauwerke immer wieder aufgeschoben wurde. Zugegebenermaßen risikobasiert und verantwortungsvoll, aber dennoch. Aufgrund der aufgeschobenen Instandhaltung stehen wir nun vor einer Anhäufung von Ersatz- und Renovierungsaufgaben. Und hier stehen die Berater und Ingenieure von Royal HaskoningDHV in einem großen Spannungsfeld zu den Nachhaltigkeitszielen aus dem regierungsweiten Programm "Klimaneutrale und zirkuläre Infrastruktur", kurz KCI.
In den Niederlanden haben wir uns per Gesetz Klimaziele gesetzt. Diese Ziele wurden für die nationale Infrastruktur im Rahmen des CIP-Programms ausgearbeitet. Dieses Programm zielt auf die vollständige Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft im Jahr 2030 für die nationale Infrastruktur ab. Auch die Provinzen haben sich das CIP-Programm zu eigen gemacht, das vom Interprovinziellen Konsultativgremium (IPO) ausgearbeitet wird. Dennoch hat sich die Instandhaltung der Bauwerke in unserem Land aus den verschiedensten Gründen verzögert. "Die Instandhaltungsarbeiten wurden von Rijkswaterstaat, Provinzen und Gemeinden auf die lange Bank geschoben, abgesehen von einigen imageprägenden Kunstwerken. Und die Folgen davon bekommen wir jetzt zu spüren", sagt Bert Hesselink, Leading Professional Steel Bridges bei Royal HaskoningDHV, zu dessen Aufgaben die Neuberechnung bestehender Ingenieurbauwerke und die Festlegung der zu treffenden Maßnahmen gehören. "Bei manchen Bauwerken reicht eine gründliche 'Politur' aus, bei anderen Objekten sind drastischere Maßnahmen erforderlich. Im Extremfall sogar ein kompletter Austausch. Und so kommt nun das KVP-Nachhaltigkeitsprogramm hinzu."
Bis vor einigen Jahren war das Thema Nachhaltigkeit, wie wir es heute aus dem KVP-Programm kennen, bei der Instandhaltung selten explizit ein Thema, weiß Peter Gosselink, Nachhaltigkeitsberater bei Royal HaskoningDHV. "Jetzt, wo wir kurz vor der großen Zahl von Ersatz- und Renovierungsaufträgen stehen, bedeutet dies, dass die Vermögensverwalter auch in Sachen Nachhaltigkeit den Schalter umlegen müssen. Viele Vermögensverwalter neigen dazu, an dem Vertrauten festzuhalten. Dies, um im Sinne der RAMS-Zielsetzung sicher zu sein, dass das Objekt zuverlässig und sicher funktioniert. Das KVP-Programm zielt aber auch darauf ab, innovativ zu sein, neue Techniken und Materialien einzuführen und Prozesse anders zu organisieren. Das schafft ein großes Spannungsfeld zu dem, was den Asset Managern vertraut ist. Und oft stehen die Möglichkeiten der Nachhaltigkeit im Widerspruch zu den geltenden Normen und Richtlinien. In meiner Rolle als Nachhaltigkeitsberater macht mir das Spaß, aber es ist eine Herausforderung, alle Beteiligten mit ins Boot zu holen. In diesem Spannungsfeld müssen Zugeständnisse gemacht werden. Nicht alles, was wir erreichen wollen, kann auch tatsächlich erreicht werden."
Laut Gosselink müssen viele bestehende Normen und Richtlinien überarbeitet werden, um den gemeinsamen KVP-Zielen für Nachhaltigkeit näher zu kommen. "Rijkswaterstaat und ProRail wollen bis 2030 vollständig kreislauffähig und klimaneutral sein. Dieses Ziel wurde auch von den Provinzen aufgegriffen. Ein schöner Punkt am Horizont, aber die Herausforderungen sind enorm und die Zeit wird langsam knapp. Einige der Projekte, die derzeit auf dem Programm stehen, werden nämlich erst 2030 oder später in Betrieb gehen. Gleichzeitig sind die Schritte, die wir beim kulturellen Wandel unternehmen können, klein. Was ich damit sagen will, ist, dass die Ziele des CIP für Nachhaltigkeit und RAMS schon vorher zusammenkommen müssen. Anfang dieses Jahres haben wir von Royal HaskoningDHV öffentlich dazu aufgerufen, einen Dialog miteinander zu beginnen, um Standards und Richtlinien auf der Grundlage der KVP-Ziele zu aktualisieren. Es ist großartig, dass wir an der Front viel Energie darauf verwenden, wie wir mit der Arbeit an den festgelegten Zielen in politischer Hinsicht beginnen können. Aber wenn wir jetzt in die Projekte einsteigen, stellen wir allzu oft fest, dass diese Ziele wegen anderer Prioritäten ziemlich schnell ins Hintertreffen geraten. Ehrgeizige Erosion nennen wir das."
Bei groß angelegten Ersatz- und Renovierungsmaßnahmen liegt der Schwerpunkt laut Hesselink hauptsächlich auf dem Objekt. "Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist es dagegen viel interessanter, das Gesamtbild zu betrachten, sich also nicht nur auf den nachhaltigen Einsatz von Materialien und emissionsfreies Bauen zu konzentrieren." Gosselink fügt hinzu: "Wenn man eine Brücke renoviert, kommt es in der Regel zu Verkehrsbehinderungen, und der Verkehr muss vorübergehend umgeleitet werden. Die damit verbundenen Umweltauswirkungen sind oft ein Vielfaches der eigentlichen Ersatz- oder Sanierungsmaßnahme. Dies gilt insbesondere für Ingenieurbauwerke an Autobahnen, bei denen eine große Anzahl von Fahrzeugen über lange Zeiträume hinweg viele Kilometer umgeleitet werden muss. Ist also eine Sanierung die klügste Wahl? Oder ersetzt man die Brücke vorzeitig und macht sie höher, so dass der bewegliche Teil nicht mehr benötigt wird? Auch bei der Wahl der Materialien werden Sie sich anders entscheiden. Stahl, Verbundwerkstoffe und Betonfertigteile brauchen beispielsweise im Gegensatz zu Ortbeton keine Aushärtungszeit beim Zusammenbau. Eine längere Bauzeit bedeutet längere Verkehrsbehinderungen und noch mehr Umweltbelastung. Dies sind alles Aspekte, die wir von Royal HaskoningDHV berechnen und aufzeigen können."
Wie verhält sich die Kreislaufwirtschaft zur Nachhaltigkeit bei der Ersatz- und Renovierungsaufgabe? "Beide Themen haben viele Gemeinsamkeiten, aber manchmal auch gegensätzliche Interessen", meint Hesselink. "Manchmal braucht man für eine zukunftssichere Lösung mehr Materialien in einer Konstruktion. Das verträgt sich zunächst nicht mit dem Ziel, weniger Rohstoffe zu verbrauchen und die Umwelt zu entlasten, aber Zukunftssicherheit ist ein wichtiges Kriterium für nachhaltiges Denken." Gosselink rät, bei einer Ersatz- oder Renovierungsmaßnahme auch die bereits vorhandenen Leitfäden zu berücksichtigen, wie z. B. die des bereits erwähnten KCI-Programms. "Das KVP-Programm ist für die GWW wichtig, weil es viel Wissen und Know-how aus der Praxis zusammengetragen hat. Profitieren Sie davon."
Unter dem Gesichtspunkt der Kreislaufwirtschaft und der Nachhaltigkeit plädieren die Herren für eine weitreichende Einführung des Materialpasses im Geschäftsbetrieb. "Er enthält Informationen über die Funktionen, die Zusammensetzung, die Herkunft und die Verwendungsgeschichte von Materialien", sagt Gosselink. "Denken Sie also an Informationen über die verwendeten Beschichtungen oder darüber, ob es sich um Chrom VI handelt, usw. Es sollte ein untrennbarer Bestandteil eines Projekts werden, damit man in zehn Jahren die Wiederverwendung eines Bauteils an anderer Stelle in Betracht ziehen kann. Die Plattform CB'23 hat dafür eine schöne Vorlage entwickelt, aber sie muss in den Geschäftsbetrieb eingebettet werden, in die Datenverwaltung. Und an diesem Punkt sind unsere Kunden noch nicht angelangt. Jetzt werden regelmäßig Teile freigegeben, deren Herkunft und Zusammensetzung wir gerne kennen würden, um sie einer guten Wiederverwendung zuzuführen." Das soll nicht heißen, dass überhaupt nichts wiederverwendet wird. Hesselink: "Vor zwei Jahren haben wir eine Fahrrad- und Fußgängerbrücke in der Achterhoek erneuert, indem wir die bestehende Stahlbrücke mit Stahl aus einer abgerissenen Fabrikhalle in der Nähe verstärkt haben. Das Optimum an Kreisläufigkeit. Stahl ist im Sinne der Kreislaufwirtschaft natürlich ein super Material und angesichts seiner Geschichte unendlich wiederverwendbar. Deshalb ist es auch so unglaublich wichtig, dass wir den Materialpass richtig einführen.